Beurteilung traditioneller Formen der Aufbauorganisation und Aspekte ihrer Reorganisation
Autor: Ulf Förster Seminarleiter: Prof. Beyer WS 2002/2003 Grundstudium
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Beurteilung traditioneller Formen der Aufbauorganisation und Aspekte ihrer Reorganisation.
Dargestellt an Praxisbeispielen


1 Theoretische Grundlagen

Aufbau und Ablauforganisation

In der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre werden traditionell zwei Bereiche unterschieden. Die Ablauforganisation soll die räumliche und zeitliche Rhythmisierung und Abstimmung der Arbeitsgänge zum Thema haben. Die im weiteren betrachtete Aufbauorganisation regelt die Bildung von Aufgaben, ihre Verteilung auf die Aufgabenträger und die Beziehungsstruktur zwischen den Aufgabenträgern. Struktur und Prozeß werde also getrennt betrachtet. Allerdings greifen beide Gestaltungsaufgaben so tief ineinander, daß sie nicht separat optimierbar sind. Somit ist diese Trennung nur sinnvoll um eine analytische Betrachtung zu erleichtern.

Arbeitsteilung und Spezialisierung


Arbeitsteilung kann grundsätzlich auf zwei verschiedene Arten erfolgen. Zum Einen kann die Aufgabe nach Menge oder Umfang auf zwei oder mehr Aufgabenträger verteilt werden. Man spricht hier von horizontaler Arbeitsteilung. Zum anderen kann die Aufgabe nach der Art der Aufgabe verteilt werden. Hierdurch entsteht eine vertikale Arbeitsteilung und dadurch eine Spezialisierung.

Zentralisation vs. Dezentralisation

Die Alternative, Zentralisation oder Dezentralisation gibt es in der Praxis nicht, hier muß sorgfältig über das Maß der Zentralisation entschieden werden. Zentralisation kann sich dabei auf die Merkmale Verrichtung (funktionale Zentralisation), Objekt oder Entscheidung beziehen. Durch Zentralisation entstehen in einem Betrieb Organisationseinheiten.

Das Leitungsgefüge Einlinien vs. Mehrlinienprinzip

Zur Ausformung rangmäßiger Beziehungen stehen zwei klassische Prinzipien zur Verfügung: Das Einliniensystem, auch als Prinzip der Einheit der Auftragserteilung (oder des Auftragsempfangs) bezeichnet und das Mehrliniensystem auch als Prinzip des kürzesten Weges bezeichnet.





Das Kommunikationsgefüge

Das Kommunikationsgefüge hat die Aufgabe den Austausch von Nachrichten, also von Informationen die nicht Weisungscharakter haben, zu organisieren. Bei der Gestaltung des Kommunikationsgefüges geht es um die


Dabei sind vier Kommunikationswege möglich

2 Ausprägungsformen in der Praxis


Betrachtung der Organisationsform bei Ford

Es liegt ein Einliniensystem vor. Die Arbeitsteilung erfolgt in der Vertikalen nach handlungsorientierten Gesichtspunkten. Es entsteht eine funktionale Organisation .

Diese ist immer noch die am häufigsten angewandte Organisationsform in der Wirtschaft. Sie ist eine direkt unter der Unternehmensleitung nach gleichartigen Funktionen (wie Beschaffung, Produktion, Absatz und Entwicklung) zentralisierte Organisationsform.

Vor- und Nachteile der funktionalen Organisation

Vorteile:

Nachteile: Eine Erweiterung der funktionalen Organisation stellt die Stab-Linien-Organisation dar. Um die Entscheidungskapazität der Linieninstanzen zu erhöhen werden Stäbe eingeführt. Diese haben dabei allgemein Leitungsfunktionen im Auftrag der oder für die Linien wahrzunehmen (Stabsgeneralist) oder aber die Instanzen zu unterstützen und in konkreten Einzelfragen zu beraten (Stabsspezialist).


Durch verschiedene Zuordnung und Anzahl entstehen verschiedene Ausprägungen der Stab-Linien-Organisation

Typische Ausprägungen der Stab-Linien-Organisation.

Quelle: Bühner, R.: Betriebswirtschaftliche Organisationslehre, S.117

Die Einrichtung von Stäben bei einer funktionalen Organisation ist üblich und bei fast allen größere Unternehmen unausweichlich. Typische Stäbe sind z.B. Verwaltung Revision und Personal.

Vorteile:

Nachteile: Weitere funktional gegliederte Unternehmen sind z.B. die Deutsche Lufthansa AG, der Otto Versand oder die BMW AG.


Betrachtung der Organisationsform bei der Postbank

Die Arbeitsteilung erfolgt hier in der Horizontalen und zwar nach geographischen Gesichtspunkten. Andere marktorientierte Kriterien wie z.B. die Ausrichtung nach bestimmten Kundengruppen oder Branchen lassen sich nicht nachweisen. Es entsteht eine Regionalorganisation . Das Regionalprinzip ist in der Praxis selten in reiner Form zu finden. Regionale Gliederungen im nationalen Bereich wie bei der Postbank sind vor allem im Dienstleistungssektor anzutreffen. Bei international bzw. weltweit aktiven Unternehmen ist das Regionalprinzip in der Aufbauorganisation meist mit berücksichtigt. Beispiele hierfür sind die Wella AG oder die Allianz AG.

Vor- und Nachteile der Regionalorganisation

Vorteile:

Nachteile:

Betrachtung der Organisationsform bei der Mannesmann AG

Die Gliederung erfolgt hier unterhalb des obersten Leitungsorgans nach Produkten bzw. Produktgruppen. Die entstandene Organisationsform wird Spartenorganisation genannt. In seltenen Fällen erfolgt die Gliederung auch nach Herstellungsprozessen oder anderen Gesichtspunkten. Auch die oben dargestellte Regionalorganisation, kann als spezielle Spartenorganisation betrachtet werden.

Vorteile:

Nachteile: Weitere Unternehmen die das Spartenprinzip verwirklicht haben sind z.B. Die BASF AG oder die Bertelsmann AG.

Betrachtung der Organisationsform bei Siemens-Nixdorf

Die Gliederung erfolgt hier unterhalb der Geschäftsleitung nach verschiedenen Dimensionen. Die Key-Account-Manager betreuen die ihnen zugewiesenen Großkunden und müssen um ihre Aufgabe zu erfüllen mit den verschiedenen Produktbereichen zusammenarbeiten. Umgekehrt müssen sich die Produktbereiche mit den Account-Managern abstimmen, um die Wünsche der Großkunden erfüllen zu können. Es entsteht eine Matrixorganisation . Ursprünglich ist die Matrixorganisation aus dem Versuch entstanden die Vorteile der funktionalen Organisation mit denen der Spartenorganisation zu kombinieren. Auch regionale Gesichtspunkte werden bei einigen Matrixlösungen berücksichtigt.

Weitere Organisationen die das Matrixprinzip anwenden sind Asea Brown Boveri AG (ABB) oder die Henkel KgaA.

Vorteile:

Nachteile:

3 Reorganisation

Der Grund und die Richtung für den organisatorischen Wandel hängt im wesentlichen von zwei Faktoren ab: Der Marktunsicherheit und der Produktkomplexität. Bei hoher Marktunsicherheit geht der Weg in Richtung der modernen Aufbauorganisationen wie Vernetzte Organisation oder die Virtuelle Organisation. Bei hoher Produktkomplexität kann der von Bayer gewählte Weg als typisch angesehen werden. In diesem Fall wird auch der Bereich der traditionellen Organisationsformen nicht verlassen. (vergleiche hierzu auch das Handout Evolutionärer und revolutionärer Wandel, SS 2000)

Das Beispiel Bayer

(Die Abbildungen hierzu befinden sich im Anhang)

Die ursprüngliche Gliederung bei Bayer war klar funktionaler Art. Zusätzlich wurden noch geographische Aspekte berücksichtigt was in der Abbildung nicht zum Ausdruck kommt.

Mit der Einführung von sogenannten Fachkommissionen wurde 1965 ein erster Schritt zur Berücksichtigung des Produktgedankens getan. Es ergab sich eine matrixartige Struktur, mit der die produktgruppenbezogene Koordination der einzelnen Aktivitäten erreicht werden sollte.

1971 wurde zu einer Spartenstruktur übergegangen.

Bei der Betrachtung der aktuellen Organisationsstruktur der Bayer AG fällt auf, daß eine Einordnung in die traditionellen Formen der Aufbauorganisation nicht ohne weiteres möglich ist. Am ehesten liegt hier aufgrund der eingeführten Geschäftsbereiche eine Spartenorganisation vor. Durch die zentralen Konferenzen und Zentralkommissionen liegt aber auch eine funktionale Gliederung vor und durch die Einführung von Zentralbereichen ist auch der Charakter einer Stabsorganisation gegeben.

Der Umstrukturierungsprozeß von Bayer ist dabei typisch für Großunternehmen.

Den Anfang machten bereits in den zwanziger Jahren Du Pont und General Motors. Bei allen ist der grundsätzlich gleiche Weg festzustellen. Weg von der funktionalen Organisation hin zur Spartenorganisation.

Welche internen Vorgänge bei Reorganisationen zu beachten sind und welche Möglichkeiten es bei der Reorganisation von Unternehmen gibt kommt bei dieser Betrachtung natürlich nicht zum Ausdruck. Um hier einen Einblick zu gewinnen vergleiche folgende Handouts:

4. Fazit

Wie schon am Beispiel Bayer gesehen ist es häufig schwierig oder gar unmöglich einen Betrieb genau einer Organisationsform zuzuordnen. Bei großen Organisationen liegen fast immer Mischformen vor. Auch bei denen in der Arbeit genannten Beispielen kommt die Organisationsform nur deshalb so klar zum Ausdruck weil hier immer stark vereinfacht wurde oder wie im Fall Siemens-Nixdorf eben genau die Struktur die hier von Interesse war betrachtet wurde.

Auch die Frage ob eine Firma eher traditionell oder eher modern aufgebaut ist, ist häufig nicht eindeutig zu beantworten. Eine in einem Netzwerk oder in einem virtuellen Verbund stehende Organisation kann intern natürlich traditionell gestaltet sein.

Auch die Frage welche Organisationsform für welchen Betrieb läßt sich natürlich nur bei genauer Kenntnis des Betriebes beantworten. Tendenziel kann gesagt werden, daß für Einproduktunternehmen oder für Unternehmen die eine schmale Produktpalette haben die funktionale Organisationsform sinnvoll ist. Bei Mehrproduktunternehmen scheint die Spartenorganisation angebracht. Eine regionale Gliederung die in Filial- und Frenchisingsystemen zum Ausdruck kommt ist bei vielen Dienstleistungsbetreiben von Vorteil.



Empfehlenswerte Literatur:

Frese, E. (2000). Grundlagen der Organisation. Wiesbaden: Gabler
Bühner, R. (1991). Betriebswirtschaftliche Organisationslehre. München: Oldenbourg
Picot, A., & Freudenberg, H., & Grasser W. (1999). Die neue Organisation ganz nach Maß geschneidert. Harvard Buisiness manager, 1999 (5), 46 – 58
Internet: http://www.tu-chemnitz.de/wirtschaft/bwl5/osm/download/osminternetskript.pdf
























Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de