New Economy? Wege aus der Falle der Informationsgüterindustrie
Autor: Christoph Lang Seminarleiter: Prof. Beyer SS 2002 Hauptstudium
Handout PDF

New Economy?

Wege aus der Falle der Informationsgüterindustrie





1 New Economy?

Definition des Begriffs New Economy:

Der Begriff New Economy wurde von Journalisten in den 90ern eingeführt, um zu erklären warum die für Mitte der 90er erwartete Rezession in den USA ausblieb Im weiteren Sinne umfasst der Begriff die gesamten Bereiche der IT- und Biotechnologie. Allerdings ist durch diese weite Definition kaum einen Trennlinie zur Old Economy zu ziehen. Daher verwendet dieses Referat eine bewusst enge Definition: Es handelt sich bei der New Economy um einen Wirtschaftszweig, der Informationen als Roh- und Hilfsstoffe hat und dessen Endprodukte Informationen sind, also eine informationsverarbeitende und erstellende Industrie. Kurz gesagt wird in diesem Referat die New Economy auf Branchen reduziert, die digitale Informationsgüter produzieren.

2 Die ökonomische Umwelt der New Economy

2.1 Paradigmen der New Economy?

2.2 Private Güter
Private Güter
Rivalität der Güternutzung

Wenn A das Gut von B nutzt, so kann B es nicht nutzen.

Knappheit

F ast alle Güter der traditionellen Industrie sind begrenzt verfügbar. Diese Knappheit wird durch die duale Funktion von Preisen geregelt: Der dem Gut die höchste Bedeutung (gemeint: Preisbereitschaft) beimisst, bekommt es und andererseits regen hohe Preise die Produktion an. Vermehrte Produktion lässt dann die Preise fallen. Damit wird das System als ganzes sehr effizient.

Ausschließbarkeit

Es ist A möglich B von der Nutzung seines Eigentums auszuschließen. Damit sind sowohl technische als auch juristische Aspekte gemeint. Die Motivation dies zu tun steht im direkten Zusammenhang mit der Rivalität der Güternutzung.

Transparenz

A sieht was B hat. Dies ist bei Informationsgütern nicht so klar, z.B. Texte.

2.3 Digitale Informationsgüter
Digitale Informationsgüter
Rivalität der Güternutzung

B ei Informationsgütern ist, zumindest im Privatmarkt, weitgehend keine Rivalität der Güternutzung vorhanden.

Knappheit

Aufgrund der Kostenstruktur ist die Knappheit bei bereits entwickelten digitalen Informationsgütern nicht zwingend.

Ausschließbarkeit

Diese Eigenschaft triff nur bedingt auf Informationsgüter zu, da es über das Internet und das einfache Kopieren von digitalen Informationsgütern kaum zu verhindern ist (Internettauschbörsen, Brennen, Downloads). Ausnahmen sind u.a. Informationsgüter für Geschäftskunden.

Begrenzte Transparenz

Die Transparenz ist bei Informationsgütern geringer, da man eine Information nur dann richtig bewerten kann, wenn man sie erhalten hat.

Wenn man die Gütermerkmale werten will, so ist das Zentrale die "Rivalität der Güternutzung", das starken Einfluss auf die Merkmale "Ausschließbarkeit" und "Knappheit" ausübt. Das Merkmal "Ausschließbarkeit" hat eine juristische und eine technische Seite.

2.4 Der Status von Informationsgütern

Öffentliche Güter besitzen die ersten beiden Eigenschaften, also "Ausschließ-barkeit" und "Rivalität der Güter-nutzung", der traditionellen Gütern zum überwiegenden Teil nicht. Daher liegen die Informationsgüter für den Privat-kundenmarkt im unteren linken Eck. Spezialsoftware für Firmen sind dagegen private Güter und liegen so oben rechts in der Graphik. Gängige Firmensoftware, z.B. Office-Pakete, weist zwar keine Rivalität der Güternutzung auf, allerdings sind die Unternehmen durch mögliche Kontrollen gezwungen legale Software einzusetzen. Damit ist das Merkmal Ausschließbarkeit erfüllt und diese Produkte liegen damit oben links in der Graphik. Der Status von Informationsgütern ist daher mehrdeutig, da es darauf ankommt, um welches Informationsgut, für welchen Kunden und in welcher Datenmenge (z.B. DVD-Download problematisch) es sich handelt und damit auch auf den technischen Entwicklungstand. (z.B. DVD-Brennen im Moment noch kaum möglich)

3 Strategien für die Informationsgüterindustrie (unter Rational Choice Gesichtspunkten)
3.1 Strategie der Transformation von öffentliche in private Güter
Konzept: Diese Strategie versucht den Informationsgütern das Merkmal "Ausschließbarkeit" wiederzugeben, damit es dann wieder wie ein privates Gut verkauft werden kann.

Beispiel: Musikindustrie und kopiergeschützte Musikalben, kopiergeschützte Software
Bewertung: - Kopierschutz überwindbar
- Technische Probleme durch mangelnde Kompatibilität. Qualitätsstandards von CDs werden durch Kopierschutz verletzt; insgesamt kaum praktikabel (siehe Großbritannien)
3.2 Die "Infomercial" Strategie (Das Informationsgut als Werbemittel)
Konzept: Diese Strategie macht sich die gesunkenen Reproduktions- und Vertriebskosten der digitalen Technologie zu eigen und verfolgt als Grundstrategie das Verschenken von Inhalten zu Werbezwecken.

Beispiel: MIT-Press (Veröffentlichungen des MIT werden kostenlos im Internet angeboten, ohne dass die Auflage der gedruckten Veröffentlichungen gesunken ist. Sie ist sogar noch gestiegen.)
Bewertung: Der Erfolg dieser Strategie ist abhängig von der Art des Produktes. Bei Büchern gibt es erfolgreiche Beispiele, da die Opportunitätskosten beim Lesen am Bildschirm sehr hoch sind. Bei anderen Gütern ist aufgrund der nichtkommerziellen Konkurrenz problematisch. (Ein Beispiel wäre Musikanhören bei Amazon als Werbung für das Album versus kostenloser Download in Internettauschbörsen.)


3.3 Einnahmen Maximierung über variable Urheberrechtspolitik (Rechte-Management-Strategien)
Konzept: Die Essenz dieser Strategie ist es, die Einnahmen (Preis * Menge) zu maximieren. Dabei kann es durch liberalere Urheberrechtskonditionen möglich sein die Preisbereitschaft der Kunden zu erhöhen. Die Preisbereitschaft könnte steigen, da die Kunden mehr Rechte an ihrem Produkt haben, beispielsweise Sharing. Liberalere Konditionen sind sinnvoll, solange die gestiegenen Preise die rückläufigen Verkaufszahlen kompensieren.

Beispiel: Software für Geschäftskunden, da diese das Produkt breiter einsetzen können.
Bewertung: Aufgrund der nichtkommerziellen Konkurrenz ist diese Strategie für den Privatkundenmarkt nicht sonderlich aussichtsreich. Da die meisten Informationsgüter im Privatkundenmarkt öffentliche Güter sind, ist die Preisbereitschaft per Defintion Null. Im Geschäftkundenbereich hat diese Strategie ihre Berechtigung.
3.4 Strategie des Verkaufs von "Paketen"
Konzept: Kern dieser Strategie ist es, das Informationsprodukt direkt an ein privates Gut zu koppeln und so beide zu verkaufen. Dafür sollte das "Paket" für den Kunden einen höheren Nutzen besitzen als die Summer der beiden Produkte einzeln.


Eigene Darstellung

Beispiel: Vorinstalliertes Betriebssystem, beispielsweise Windows
Bewertung: Dies ist eine sehr effektive Strategie, sowohl im Privatkunden-, als auch im Geschäftkundenbereich, allerdings ist sie nicht auf jedes Informationsgut anwendbar. Das Problem sind die unterschiedlichen Opportunitätskosten, beispielsweise für die Installierung von Software. Ein Betriebssystem auf einen Rechner zu installieren ist für viele ein relativ schwieriges Unterfangen. Damit sind die Opportunitätskosten sehr hoch. Die Preisbereitschaft liegt hier somit nicht für das Betriebssystem vor, sondern für die technisch anspruchsvollere Arbeit des Installierens. Allerdings sind die meisten anderen Softwareprodukte sehr einfach zu installieren, so dass hierfür kaum eine Preisbereitschaft vorliegen kann. (Bei Musik und Filmen ist diese Strategie ohnehin nicht anwendbar.)




3.5 Lock-In Management Strategie (Kundenbindung)
Konzept :
Der Umstieg von einem Softwaresystem auf ein anderes verursacht Kosten über den reinen Anschaffungspreis hinaus. Daher wird ein einmal gebundener Kunde ungern wechseln, auch wenn das neue Angebot billiger und qualitativ gleichwertig ist, da in dem Angebot noch nicht die Kosten für Mitarbeiterschulungen etc. enthalten sind. Heißt also: Die Opportunitätskosten für das neue Produkt können höher als die für das bisherige sein, selbst wenn der Preis des neuen System unter dem des bisherigen liegt.
Beispiel: Kostenloses Sun-Officepaket für Schüler und Studenten, um diese als potentielle Kunden zu binden.
Bewertung: Diese Strategie macht Kundenbindungsprogramme, Verträge, etc. notwendig, um den lukrativen Nachmarkt abzusichern. Insbesondere, da die Kunden über die Lock-In Problematik wissen. Somit drängen Kunden auf voll kompatible und in der Bedienung ähnliche Software, um ihre Opportunitätskosten des Systemwechsels zu senken. Der Erfolg dieser Strategie ist schwierig zu antizipieren.

4 Fazit

Die Strategien stellen Lösungsansätze in einer problematischen, ökonomischen Umwelt dar. Sie sind natürlich nicht singulär zu betrachten, sondern stehen im Kontext mit anderen Strategien der Betriebswirtschaftslehre. Insbesondere sind starke Anknüpfungspunkte zum Wissensmanagement und zu Kundenbindungsstrategien relevant. Es sei auch darauf verwiesen, dass es durchaus sinnvoll sein kann mehrere der vorgestellten Strategien miteinander zu kombinieren.

Auch ist zu berücksichtigen, dass die Strategien unter dem Gesichtspunkt von Rational-Choice Annahmen bewertet wurden. D.h. die rechtliche Situation wurde nicht nach juristischen Gesichtspunkten beurteilt, sondern nach der Eintrittswahrscheinlichkeit strafrechtlicher Sanktionen bei Verstößen gegen das Urherberrecht (Axiom: Wahrscheinlichkeit von strafrechtlichen Sanktionen beim privaten Raubkopieren geht gegen Null, daher geht, unter Rational-Choice Annahmen, die Wirkung der Gesetze ebenfalls gegen Null). Damit sollten auch die Fälle in die Analyse mit einbezogen werden, die zwar illegal sind, aber durch massenhaftes Auftreten, sehr wohl ökonomisch relevant sind.




Literaturverzeichnis:

Baily N., Neil: Do We Have a New E-conomy, Hrsg. Baldwin, u.a in: The American Economic Review, New Orleans 2001
Evans, Philip, u.a.: Web Attack, München 2000
Klodt, Henning, u.a.: The Essence of the New Economy, Kiel 2001
Schumpeter, Alois: Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Tübingen 1993
Schulz, Thomas: Die Stern-Gucker, in: Der Spiegel Nr. 44, Hamburg 2001
Shapiro, Carl., u.a.: Online zum Erfolg, München 1999
Internet::
· Beyer, Horst Tilo: www.phil.uni-erlangen.de/economics/bwl/onlinenews 10.08.2001
· De Long, Brad: Speculative Microeconomics for Tomorrow's Economy, Berkley 1999, www. Econ161.berkley.edu/OpEd/virtual/new_economy_master.html/ Speculative…, 10.08.2001
· Shapiro, Carl: www.sims.berkeley.edu/resources/infoecon/ Competition, 10.08.2001
· Smith, Adam in De Long, Brad: Speculative Microeconomics for Tomorrow's Economy, Berkley 1999, www. Econ161.berkley.edu/OpEd/virtual/new_economy_master.html/ speculative
· Varian, Hal: Sharing Buying and Renting Information Goods, Berkley 2000, www.sims.berkeley.edu/resources/infoecon/ Sharing Buying and Renting Information Goods, 10.08.2001
· Varian, Hal: Pricing Inforamtion Goods, Berkley 1995, www.sims.berkeley.edu/resources/infoecon/ Sharing /Information Goods, 10.08.2001

Quellenverzeichnis

Internet:: www.ifpi.de/Zahlen/Wirtschaftsbericht2001, 10.02.2002
www.IVD-Online.de, 10.02.2002








































Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de