Reorganisation, Business Reengineering, Organisationsentwicklung und Lernende Organisation
als Ansätze organisatorischer Gestaltung
Autorin: Michaela Nüssel Semester: WS 1999/2000 Hauptstudium
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Reorganisation, Business Reengineering, Organisationsentwicklung
und Lernende Organisation

als Ansätze organisatorischer Gestaltung

Gemeinsamkeiten – Unterschiede - Praxisbeispiele


I. Überblick

II. Reorganisation

Definition: Änderung der bestehenden Organisationsstruktur
Zielbereiche der Reorganisation Umsetzungsbeispiele
Reorganisation der Führung
  • Verflachung der Hierarchien (z.B. Verringerung der Anzahl an Führungskräften, die einem Geschäftsführer unterstellt sind)
  • Einführung einer Geschäftsbereichsorganisation (z.B. Profit Center für einzelne Produkte oder Regionen)
Bildung und Auflösung organisatorischer Einheiten
  • Eingliederung neuer Betriebsstätten (z.B. Filialen, Zweigbetriebe)
  • Bildung neuer Abteilungen (z.B. Aufnahme neuer Produkte für neue Märkte, 24h-Callcenter für bessere Kundenbetreuung)
  • Auflösung, Zusammenlegung oder Dezentralisierung von Abteilungen und Zentralstellen (z.B. Einführung eines Personalreferentensystem
Reorganisation betrieblicher Funktionen
  • Einführung eines neuen Planungssystems
  • Einführung neuer Systeme des betrieblichen oder finanziellen Rechnungswesens
  • Rationalisierung / Neugestaltung betrieblicher Arbeitsabläufe
Reorganisation der DV / IT
  • Anschaffung einer neuen EDV-Anlage
  • Einführung/Anpassung einer neuen Standardsoftware (z.B. SAP, Baan)
  • Einführung eines neuen Controllingsystems (z.B. auf der Basis von Oracle)
  • Implementierung eines Intranets

problematisch: mangelnde Reichweite der Veränderungs(Verbesserungs)wirkung à Teilkonzept

III. Business Reengineering

Definition und zentrale Begriffe

Michael Hammer und James Champy (1993): Unter Business Process Reengineering versteht man das fundamentale Überdenken und die radikale Neugestaltung der Unternehmung in ihrer Gesamtheit, mindestens aber der grundlegenden und wesentlichen Unternehmensprozesse. Ziel dabei ist eine erhebliche Verbesserung der kritischen Leistungsdimensionen Qualität, Zeit, Kosten und Service.


4 Kernthemen :
  • Die Orientierung an den kritischen Geschäftsprozessen
  • Die Ausrichtung der kritischen Geschäftsprozesse am Kunden
  • Die Konzentration auf die Kernkompetenzen

  • Die Nutzung modernster Informationstechnologie (IT)
Schlüsselbegriffe:
Fundamental - Radikal
Verbesserung um
Größenordnungen
Geschäftsprozeß
Kerngeschäftsprozesse
Kernkompetenzen
Induktives Denken
Visionen
Structure follows process








Phasen des Business Reengineering

a) Positionierung : bildet die Grundlage, auf der das Unternehmen den gesamten BPR-Prozeß initiieren und erfolgreich realisieren kann

Instrumente der Positionierung

b) Prozeßerkennung

Instrument Technik
Prozeßmodellierung
  • Bildliche Darstellung der Geschäftsprozesse eines Unternehmens
  • Darstellung der zum Prozeß gehörenden Funktionen (Aufgaben, Tätigkeiten) in ihren inhaltlichen und zeitlichen Abhängigkeiten mit Hilfe von Verknüpfungsoperatoren (und, oder, exklusiv)
  • Aufgrund der hohen Komplexität meist nur noch PC-gestützt durchzuführen
Prozeßsimulation
  • Simulation der Zeiten (für verschieden Aufgaben)
  • Simulation von Wahrscheinlichkeitsverteilungen
  • Horizontalisierung von vertikalen Geschäftsabläufen zu Geschäftsprozessen

c) Prozeßredesign Beispiele

d) Bewertung
Kontrolle und Verbessserungen der eingeleiteten Neu- und Umgestaltungen.
Ziel: Transparenz über den Fortschritt der Umsetzungsmaßnahmen, Aufzeigen der Verbesserungspotentiale

IV. Organisationsentwicklung

Definition

Langfristig einzusetzendes Instrument für einen organisationsumfassenden Wandel. Alle Betroffenen sind von Beginn an mit eingebunden. Der Wandel vollzieht sich anhand erfahrungsgeleiteter Lern- und Problemlöseproszesse, die durch Methoden und Instrumente der angewandten Sozialwissenschaften induziert und unterstützt werden.

à Ziel: Steigerung der Produktivität eines Unternehmens + Verbesserung der Lebens- bzw. Arbeitsqualität sowie der

Problemlösefähigkeit innerhalb der Organisation (Zieldualismus Effizienz - Humanisierung).

Interventionsebenen der OE
Individuum z.B. Sensitivity-Training, Selbstkontrakte, Arbeitsstrukturierung, sämtliche PE-Maßnahmen: PE-into/on/near/off/along/out of the job
Teamebene z.B. Sensitivity-Training, Rollenklärung, Prozessberatung, Teamentwicklung
Intergruppen- und Organisationsebene z.B. Selbstbild/Fremdbild-Beschreibung, Vorgesetztenbeurteilung

Methoden

a) Erkenntnisse des Tavistock Institute : soziotechnischen Systemtheorie

b) Laboratoriumsmethode und die Teamentwicklung : Methode zum lebensnahen und effektiven Erwerb von Sozialer Kompetenz, drei Phasen des Lernens (nach Schein): "unfreezing" (auftauen, lockern), "change" (verändern) und "refreezing" (einfrieren, verfestigen)", Problem: Transfer des Wissens in die Alltagswelt der Arbeit, deshalb Ablösung durch die Teamentwicklung (Ziel: Steigerung der Effizienz und Kohäsion der Arbeitsgruppen, Unterschied: Arbeit mit echten Gruppen)

C) Survey-Feedback-Methode (Datenerhebung- und Rückkopplungsmethode)

Teilschritt des Survey Feedback Vorgehen
  1. Kontaktphase und Vorgespräche
  • Erste Orientierung auf beiden Seiten (Organisation und Beratung)
  • Vorentscheidung über eine mögliche Zusammenarbeit
  1. Vereinbarung des Vorgehens
  • Entwicklung der Arbeitsbeziehung, Kontraktschließung
  • Problemdefinition
  • Auswahl der Methoden zur Datensammlung und zum Feedback
  1. Datenerhebung und Aufbereitung
  • Erhebung des Ist-Zustands mit ausgewählten Methoden der Sozialforschung (Befragung, Einstellungsmessung)
  1. Datenrückkopplung
  • Rückmeldung der Daten an das Klientensystem (Management und Mitarbeiter)
  • Diskussion (z.B. in Workshops), Sammlung möglicher Diagnoseansätze
  1. Diagnose
  • Erkennen der inneren Verfassung der Organisation (Stärken, Schwächen)
  1. Maßnahmenplanung und Durchführung
  • Entwicklung spezifischer Maßnahmenpläne (inkl. Festlegung der Methoden sowie der Verantwortlichen für Ausführung und Kontrolle)
  1. Erfolgskontrolle
  • Bewertung der Effektivität
  • Entscheidung über Abschluß oder Weiterführung der OE-Maßnahme

Trends der heutigen OE-Praxis

V. Lernende Organisation

Definition

Die `lernende Organisation´ ist eine sich kontinuierlich verändernde Organisation. Sie unterstützt Individuen, Gruppen und die Organisation als Ganzes in einem ständigen Verbesserungsprozeß bei der Transformation hinsichtlich der Struktur, der Steuerungspotentiale, der Umfeldwahrnehmung, des Wissensbestandes und des Verhaltens. Das in der lernenden Organisation stattfindende `organisationale Lernen´ ist als aktive Auseinandersetzung mit dem je spezifischen Umfeld darauf ausgerichtet, das kollektive Wissens- und Verhaltensrepertoire ständig zu verbessern, um eine Steigerung der organisationalen Effizienz zu bewirken.

Typen des organisationalen Lernens


Die Rolle der Führungskräfte
Rolle Führungsaufgabe
Die Rolle des Organisators
  • Gestaltung einer Infrastruktur für das Wissensmanagement
  • Erschließen interner/externer Lernquellen
Die Rolle des Lernmoderators
  • Erklärung komplexer Unternehmenszusammenhänge und des organisationalen Wandels
  • Initiierung spezieller Schulungen (Methoden-, Fach- und Soziale Kompetenz)
Die Rolle des Promotors
  • Etablierung einer offenen Lernkultur (Klima, das Fehler erlaubt, Lernen von den Anderen als Ziel, Innovationen haben hohen Stellenwert)
  • Schaffung von Anreizen für Lernanstrengungen, Belohnung konstruktiver, innovativer Beiträge von hochmotivierten Mitarbeitern (Champions)

Schlüsselprobleme in der Praxis


VI. Vergleich der vier vorgestellten Methoden der Organisationsgestaltung

Gemeinsamkeiten

Unterschiede
Gestaltungs-methode Reorganisation Business Process Reengineering Organisations-entwicklung Lernende Organisation
Wandlungs-verständnis Veränderung durch punktuelle Ausbesserung der Schwachstellen Wandlung erfolgt ganzheitlich, revolutionär Wandlung erfolgt ganzheitlich, evolutionär Wandlung erfolgt ganzheitlich, evolutionär
Umfang Partiell, scharf umgrenzte Bereiche Organisationsumfassend

Fokus: Geschäftsprozesse

Organisationsumfassend Organisationsumfassend
Ziel Verbesserung des Zielerreichungsgrad eines einzelnen Bereichs oder Prozeß Verbesserung der organisationalen Leistungsfähigkeit um Größenordnungen, um ganze Quantensprünge Zieldualismus: Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation + Humanisierung der Arbeitsbedingungen Verbesserung der Leistungsfähigkeit durch Vergrößerung des Lern- sowie Wissenspotential der Organisation
Instrumente Vielfältig z.B. Produktentwicklung, Umstellung der DV auf Standardsoftware-Lösungen, Instrumente des Lean Management (z.B. Verschlankung der Führungsspitze), JIT Benchmarking, Konzept der Wertschöpfungskette (nach Porter), Prozeßkostenrechnung, moderne Entgeltmodelle, aktuellste DV-Werkzeuge /Informationstechnologie Teamentwicklung, Survey-Feedback-Methode (Mitarbeiterumfrage, Feedbackschleifen, Problemlöseworkshops), Instrumente der Personalentwicklung (z.B. Training on/near/off-the-job) Umfangreiches Wissens- und Innovationsmanagement, Anreizmodelle für Lernanstrengungen und besonders gute Mitarbeiter (Champions), Ausbildung der Führungskräfte zu Lerncoaches
Veränderungs-charakter Punktuell, reagierend, traditionell Ganzheitlich kernprozeßorientiert, kundenorientiert, radikal, fundamental, , IT-gestützt, visionär, structure follows process, Ganzheitlich, Verträglichkeit von Produktivität -Humanisierung als Leitideal, Sozialtechnolgie-gestüzt wissens- und innovationsbasiert, lernbegierig, umfassend, antizipatorisch
Probleme
Desorientierung, Unsicherheit, Angst- und Abwehrreaktionen von Seiten der Organisationsmitglieder, dadurch aktive Verhinderung, Verschleppung oder stummer Widerstand
Kritische Aspekte Zu eng begrenzter Wirkungsgrad der Veränderung Radikaler Wandel oft mit erheblichen Personalfreisetzungen verbunden nur geringe systematische Effekte bei der empirischen Überprüfung festzustellen Oft keine ausreichende Vermittlung des abstrakten Konzepts an Organisationsmitglieder, visionär-theoretisches Konzept (noch) ohne breiten Effizienzbeweis
Praxisbeispiele Personalreferentensystem , bereichsweise Einführung der Gruppenarbeit ergebnisverantwortlichen Geschäftseinheiten Einführung eines kontinuierlichen Bildungszyklus, 360Grad-Feedback Begründung von interaktiven Wissens- und Ideenplattformen im firmeneigenen Intranet



VII. Literatur






















Beyer, Horst-Tilo (Hg.): Online-Lehrbuch BWL, http://www.online-lehrbuch-bwl.de